histoWIT
Der erste und der letzte Kötter vom Neveling-Hof
Das Fachwerk-Ensemble Alte Straße 21/23 war über Jahrhunderte ein Kotten.
Das heißt, der Familienvater ging einem meist handwerklichen Beruf nach, und die gesamte Familie unterhielt parallel dazu einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, der ihre eigene Ernährung sicherstellen sollte. In der Regel gab es einen kleinen Viehbestand und einen Obst- und Gemüsegarten.
Wir haben es Otto Schnettler zu verdanken, dass wir heute etwas über die Anfänge des Neveling-Kottens wissen. Der Forscher übertrug 1932 uralte Steuerakten in die moderne Schrift und schuf somit eine heute zugängliche Quelle mit Aussagen über die Situation der Bauern und Kötter unserer Gegend um 1645, also kurz vor Ende des Dreißigjährigen Krieges.
Peter Nevelinck 1645
Schnettlers Abschnitt über den Kotten habe ich in die heutige Sprachform gebracht: „Peter Nevelinck bewohnt einen Pachtkotten, Junker Stael zuständig (Anmerkung: dem Junker Stael von Holstein auf Steinhausen abgabenpflichtig). Das Häuschen noch in der Entstehung. Hat einen Garten. Ist ein Schuhmacher seines Handwerks. Er habe eine Kuh, dafür müsse er die Weide und Futter kaufen. Außerdem hat er ein Schwein, zusammen veranschlagt auf 9 ½ Reichstaler. Die Witwe Niesen (oder Riesen?) schulde ihm 62 Reichstaler.“
Die Formulierung „Das Häuschen in der Entstehung (= im Bau)“ lässt den Schluss zu, dass es sich um das Ursprungshaus der Kötterfamilie handelte, das – wie in vielen anderen Fällen – über die Jahrhunderte bauliche Veränderungen und Vergrößerungen erfahren hat, wie das relativ große, heute noch existierende Fachwerkhaus Nr. 21 zeigt.
Heinrich Neveling (1884-1966)
Machen wir einen Sprung zu dem letzten Kötter Neveling. Es handelte sich um Heinrich Neveling, der von Beruf Schlosser war und gemeinsam mit seiner Ehefrau Martha, geborene Armbrust, (1886-1966) den Kotten betrieb.
Es gibt ein Foto, das Heinrich Neveling im Kreis seiner Arbeitskollegen zeigt, ohne genauere Spezifizierung der Arbeitsstelle. In der Familie wurde erzählt, er habe in der Schlossfabrik Winzerling (früher auf der Höhe der Alten Straße – siehe „Bommeraner“ Juli 2017) gearbeitet und später in der sogenannten „Schüppenfabrik“ A. Bredt u. Co, ehemals auf dem Gelände des heutigen „Café del Sol“ an der Ruhrstraße. Es könnte sein, dass es dieses Foto auch noch in anderen Bommeraner Familien gibt. Über nähere Informationen dazu wäre ich sehr dankbar.
Heinrich Neveling war in Bommern bekannt als knorriges Original. Er sprach grundsätzlich Plattdeutsch, was vor allem jüngere Gesprächspartner oft vor Probleme stellte.
Ein Fernsehgerät war für ihn eine „Apenkasten“ (=Affenkasten). Daher auch stattdessen sein abendlicher Zeitvertreib, ans Hoftor gelehnt, Pfeife rauchend, mit den Vorübergehenden ein „Prölken“ (Schwätzchen) zu halten.
Als er in den 1950er Jahren seine sogenannte „Ziegenwiese“ als Bauplatz an eine Führungskraft des damaligen Gussstahlwerks verkaufte (heute Kranenbergstraße), wollte er partout keinen Scheck annehmen. Denn wer mit Scheck bezahlte, hatte aus seiner Sicht kein Geld. Zum Glück konnte sein Sohn Fritz als Zweigstellenleiter der Bommeraner Sparkasse helfen.
Bis ins hohe Alter war es für ihn ein regelmäßiges Vergnügen, an den Proben seines Gesangvereins „MGV Eintracht von 1846“ in der Gaststätte „Kessler am Berchem“ (heute Wacholderstraße 12) teilzunehmen und dabei lediglich ein „Tülpken“ Pils zu trinken.
Was seinen Kötter-Garten betraf, erinnern sich ältere Bommeraner noch daran, dass er sie hier in die Technik des Obstbaumschnitts einführte. Der große Obsthof und der Gemüsegarten dienten zum Schluss nicht mehr allein der Selbstversorgung, sondern gaben Nachbarn und Bekannten die Gelegenheit, sich reichlich einzudecken.
Nach dem Tod seiner Ehefrau Martha im Februar 1966 verstarb auch er im Oktober desselben Jahres.
Bericht von Dieter Schidt
Schlagwörter
Auch interessant
Meist gelesen
-
Auf dem Wasser und der Schiene tut sich was
-
„Ich habe als Kind schon immer gerne Dinge verändert“
-
Benefizlesung im St.-Elisabeth-Hospiz
-
Fähigkeiten sind schnell erlernt
-
Baustelle Wittener Straße wandert
-
Ein guter Grund zum Feiern