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Gespräch über Pläne, Kommunal- und Bundespolitik

Bürgermeisterin trifft Bürgermeister

Wittens Bürgermeister Lars König und Katja Strauss-Köster, Bürgermeisterin in Herdecke, haben Björn Pinno, Herausgeber von „Der Bommeraner“, zum Gespräch getroffen. Katja Strauss-Köster ist seit 15 Jahren Bürgermeisterin in Herdecke, Lars König geht in sein fünftes Jahr in Witten. Beim Großprojekt Internationale Gartenschau IGA 2027 arbeiten beide zusammen. 

Wie wichtig sind solche großen Projekte gerade für die Städte an der Ruhr?

Katja Strauss-Köster: Ich halte interkommunale Kooperation sowieso für ganz wichtig. Das tun wir im EN-Kreis vielleicht sogar beispielhaft. Großprojekte bringen auch eine Strahlkraft. In Herdecke haben wir inzwischen über 250.000 Radbewegungen pro Jahr durch den Ruhrtalradweg. Einzelhandel und Gastronomie haben davon profitiert. Für die Menschen vor Ort ist das auch mehr Lebensqualität.

Lars König: Das größte Projekt, das wir im Rahmen der IGA umgesetzt bekommen, ist an der Zeche Nachtigall. Das Projekt wird etwa zwölf Millionen Euro kosten. Ohne Fördermittel geht das nicht, und die kommen natürlich von der Bundes- und Landesebene. Am Ende entsteht ein echter Mehrwert. Die Wittener Innenstadt öffnet zu unserem wunderschönen Naherholungsgebiet im Ruhrtal. Der andere Effekt, den wir uns natürlich erhoffen, ist über mehr Tourismus entsprechend eine Belebung der Gastronomie und des Hotelgewerbes vor Ort. 

Lars König, Sie sitzen mit Katja Strauss-Köster in vielen gemeinsamen Gremien, Stichwort Universität Witten/Herdecke, VHS Witten/Wetter/Herdecke, IGA. Wie erleben Sie Katja Strauss-Köster als Kollegin?

Lars König: Eine Frau mit einem sehr klaren und realistischen Blick auf den Istzustand in Herdecke, aber auch im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit im Kreis. Klare Worte, klare Positionen und mit viel Verständnis eben aus der langjährigen Erfahrung als Bürgermeisterin für die kommunalen Probleme. Und das in vielerlei Hinsicht, sei es in der finanziellen Ausstattung der Kommunen, sei es im Blick auf das Thema Migration.

Fühlen Sie sich in ihren Städten aus Berlin und Düsseldorf beim Thema Migration ausreichend unterstützt?

Lars König: Um ehrlich zu sein: nein. Als Vorstandsmitglied des Städtetages Nordrhein-Westfalen weiß ich, dass parteiübergreifend das Thema Migration in den Kommunen Überlastungssituationen produziert. Dabei geht es nicht um Unterbringungskapazitäten, aber die Überlastung in Kita, OGS, Schule, in der sozialen Betreuung, die eint alle Kommunen. Die Bundespolitik tut aber nichts, um uns hier zu entlasten. 

Katja Strauss-Köster: Als Bürgermeisterin warne ich schon seit vielen Jahren. In Düsseldorf und Berlin wird vielleicht nicht genau gehört, was die Menschen auf der Straße denken. Die Stimmung kippt in vielen Orten. Herdecke ist da vielleicht noch eine Ausnahme. Hier haben wir es hervorragend geschafft, die Leute zu integrieren. Aber was zu viel ist, ist irgendwann zu viel.

Die aktuell schwierige Wirtschaftslage wirkt sich auch in den Städten aus. Witten ist traditioneller Stahlstandort. „Witten – die Stadt der Stahlkocher“. Der Slogan steht seit über 40 Jahren für die Stadt. Muss da umgedacht werden?

Lars König: Für Witten ist die Stahlindustrie nach wie vor ein sehr, sehr relevanter Bereich mit vielen Tausend Menschen, die dort beschäftigt sind. Die meisten Familien leben in dieser Stadt. Und deswegen möchte ich mir nicht ausmalen, was passiert, wenn die Rahmenbedingungen in Deutschland so bleiben, wie sie sind. Wir müssen weiter vor Ort produzieren, um nicht abhängig vom Ausland zu sein. Die Stahlindustrie ist dafür eine der Schlüsselbranchen.

Katja Strauss-Köster: Ich habe das Werk an der Ruhr vor kurzem besucht, und es hat mich beeindruckt. Die erhebliche Angst der Menschen vor dem Arbeitsplatzverlust hat mich tief berührt. Das ist ein sehr realistisches Szenario. Weil die Energiekosten zu hoch sind, werden manche Schichten kurzfristig abgesagt und dann in die Nacht oder auf das Wochenende verlegt, damit günstiger produziert werden kann. Das ist für die Menschen eine riesige Belastung. Hut ab vor der Belegschaft, die das mitträgt. Wir müssen unseren Bürgerinnen und Bürgern in ihrer Heimat eine Perspektive bieten und da wäre es schön wieder voller Stolz sagen zu können: „Stadt der Stahlkocher“.

Lars König: Wir tragen vor Ort die Verantwortung, all die Probleme unserer Gesellschaft konkret zu lösen. Im Bundestag dienen häufig Ideologien und theoretische Ansätze als Leitmotive der Diskussion. Vielen Bundespolitikern fehlt das Verständnis, wie sich Gesetze vor Ort auswirken. Wenn man mit der kommunalen Erfahrung in ein Parlament geht, dann weiß man, worüber man redet.

Als Bürgermeisterin arbeiten Sie vor Ort mit den Menschen. Was kann man davon mit in die große Bundespolitik nehmen?  

Katja Strauss-Köster: Die Kommune ist die Keimzelle der Demokratie. Aktuell baden wir oft das aus, was woanders bestimmt wird. Dafür brauchen wir mehr Unterstützung. Vor rund zehn Jahren gab es noch eine riesige Willkommenskultur. Viele Ehrenamtliche haben mitgeholfen, die Herausforderungen der Zuwanderung anzugehen. Allerdings merke ich die Erschöpfungssymptome im Ehrenamt, aber auch in Kitas, Schulen und anderen Bereichen. Die kommunale Wärmeplanung finde ich einen Wahnsinn. Wir haben weder Knowhow noch das Geld so etwas zu planen und umzusetzen. Da brauchen wir einfach Hilfe, und dafür würde ich ganz laut trommeln.

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